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012.1 Der Startschuss

  Es war Winter geworden. Der Frost hatte schon eingesetzt und die Gegend in den Karantischen W?ldern war über Nacht ein wenig angezuckert. Aber nur ein ganz klein wenig. Auf dieser wei?en Unterlage waren zwei M?nner zu sehen, die gegeneinander k?mpften. Es waren Wenzel und Ferenc, die Schwerthiebe austauschten. Brahm war momentan nicht zugegen. Er war ein paar Notwendigkeiten am Markt besorgen. Au?erdem musste er zu einer Besprechung mit August und Theodor. Als dieser Ferenc mitteilte, dass er heute alleine das Training mit Wenzel abhalten würde, antwortete dieser nur: ?Alles klar! Wir machen das schon, Boss.“ Ja, er sprach Wenzel immer mit ?Boss“ an, da dieser ihm stark suggeriert hatte nicht mit ?Erkorener“ angesprochen zu werden.

  ?Kling! Klang!“, erklangen nun die Schwerter. Wenzel blockte einen Schlag von links, dann einen von rechts. Ferenc, gab ihm keine M?glichkeit mit einem Gegensto? zu kontern, denn er wich augenblicklich nach hinten aus und griff gleich wieder an. Der Junge brachte etwas Distanz zwischen sich und seinen hartn?ckigen Widersacher. Er ging in die ?Ochs“ Stellung, deutete also einen Angriff von oben an, den man von einem Kilometer Entfernung schon kommen sah. Dann lief er auf den Gegner zu, welcher sich zum Parieren positioniert hatte. Pl?tzlich machte der Bursche aber etwas v?llig überraschendes. Er stie? sich vom Boden ab, flog kopfüber über Ferenc und teilte einen Hieb auf dessen Rücken aus! Der Schnitt hatte nur dessen dickes Gewand besch?digt und hatte ihn nicht verletzt. Dennoch zuckte der Mann zusammen und war kurzzeitig gel?hmt von diesem absolut unerwarteten Schritt seines Schülers.

  ?Das ist v?llig unfair, Boss! Wir wollen hier Schwertkampf trainieren.“, rief er. Dann überlegte sein Leibw?chter aber einen Moment und sagte: ?Eigentlich ist die Benützung dieser F?higkeiten im Zweikampf eine tolle Idee, weil kein Herausforderer sie jemals erwarten würde. Ich kann dir aber nicht dabei helfen, wie man sie ?richtig“ anwenden sollte. M?chtest du dein Kampftraining auf diese Weise erweitern, Boss?“ – ?Sicher!“, entgegnete Wenzel voll Tatendrang. ?Die Idee ist mir erst kürzlich gekommen, aber ich glaube, dass es ziemlich nützlich sein kann, wenn ich den bewaffneten Nahkampf mit Magie kombinieren lerne.“ Sein Trainingspartner stimmte ihm zu. Erst beim Mittagessen kam Brahm wieder zu ihnen hinzu. Beim gemeinsamen Mahl sitzend, sprachen sie die Sache an und auch er war der Meinung, dass der Einfall des Jungen ein guter war. Ausgezeichnet! Die Angelegenheit war besprochen.

  ?Aber du wirst auch weiterhin an deinen Grundlagen arbeiten, Wenzel!“, verwies ihn Brahm. ?Natürlich!“, kam es von diesem zurück. Dann a?en sie alle das, was es meistens zu Mittag gab: einen Eintopf mit allerlei Gemüse und ein wenig Fleisch. Eigentlich konnte der Bub das Zeug nicht mehr sehen, aber er zwang sich dasselbe wie alle anderen zu essen. Er wollte nicht allzu sehr besser als die anderen behandelt werden. ?Wir sollten aufpassen. Heute ist es so glatt, dass selbst du Pferde auf den Stra?en herumrutschen, wie auf einem Eislaufplatz!“, scherzte Brahm in derselben Manier wie immer. Wenzel schmunzelte ein wenig darüber, aber Ferenc musste stets über alles lachen, was sein Kollege ihm an Witzen erz?hlte, egal wie dumm sie waren. ?Der ist mal leicht zu unterhalten“, dachte sich der Junge da nur. Der Scherz, den sein Bodyguard aber soeben gebracht hatte, hatte schon seine Berechtigung. Es war heute schon recht frostig und der Schnee machte alles wesentlich schwieriger. Vom nur noch warmen Essen in ihren Schüsseln stieg der Rauch auf, w?hrend sie so dasa?en.

  Wenzel würde noch einiges an seinen Zauberkr?ften arbeiten müssen, die er leider nur sehr wenig im Vergleich zu seinen Kampfkünsten und dem Ausdauer- und Krafttraining übte. Au?er Telekinese, hatte er ohnehin fast keine von diesen eingeübt. Das war deshalb der Fall, weil er die Levitation schon sehr gut beherrschte und die anderen F?higkeiten kaum üben konnte. Oder vielleicht doch? Dem Burschen kam eine Idee. ?Du, Brahm, kann ich dich was fragen?“ – ?Was denn?“ – ?Dürfte ich vielleicht einmal Gedankenlesen an dir üben? Ich habe diese F?higkeit erst sehr selten oder, um genau zu sein, fast noch gar nicht trainiert und ihre M?glichkeiten ausgelotet. “ – ?Lieber nicht.“ Bei dieser Antwort verstummte der Bittsteller sogleich. Anscheinend wollte sein Freund nicht, dass Wenzel manche Dinge aus seiner Vergangenheit sah, die ihm eventuell peinlich waren. Das konnte der junge Mann schon verstehen. Er selbst hatte ja auch nicht absolut alles von sich erz?hlt. Zum Beispiel bewahrte der Bursche lieber Stillschweigen über den Vorfall mit seinem Bruder, welcher der eigentliche Ausl?ser für seine Flucht zu den M?rtyrerbrigaden war. Glücklicherweise meldete sich dann gleich Ferenc auf den Plan und erlaubte Wenzel seine Gedanken zu lesen……, wenn es denn die Zeit erlaubte.

  ?Komm, schon, Brahm! Morgen ist mein Geburtstag! Da musst du mir ein wenig Zeit für mich lassen, dass ich mal was anderes mache.“ Die Pupillen des Mannes weiteten sich und er fragte nach: ?Wirklich? Wie alt wirst du denn, Wenzel?“ – ?Achtzehn.“ Da kam Brahm ein gro?es L?cheln übers Gesicht. ?So alt bist du also schon! Ich h?tte dich viel jünger gesch?tzt.“ – ?Machen die meisten.“ Sein Leibw?chter neigte den Kopf leicht zur Seite und strich sich über den nicht existenten Bart. ?Dann bist du ja eigentlich schon erwachsen!“ Wenzel z?gerte kurz und meinte dann: ?Naja, kommt drauf an wie man es sieht. Ich würde nicht sagen, dass ich schon komplett selbst?ndig bin. Ich brauche euch Leute immer noch.“ – ?Unsinn! Man wird immer auf irgendeine Weise auf andere angewiesen sein. Wen ich vor mir sehe, ist einen jungen Mann mit einem Haufen Elan, der definitiv schon schwimmen k?nnte, wenn man ihn ins metaphorische Wasser schmei?en würde.“

  Stolen novel; please report.

  Wenzel hatte sich in sportlicher Hinsicht massiv verbessert im Laufe der letzten Monate, aber er war immer noch unsicher. Er glaubte, dass die Behauptungen seines Freundes überspitzt und dazu gedacht waren, ihm Mut zu machen. Er hatte immer noch kein gro?es Selbstvertrauen. Nach dieser l?ngeren Mittagspause ging das heutige Training weiter, endete aber überraschenderwiese früher als sonst. Brahm sagte er müsse noch ?etwas erledigen“.

  Am n?chsten Tag fand der Bursche schnell heraus, was dieses ?etwas“ war. Nach dem Aufstehen gratulierten ihm beide seine Beschützer zum Geburtstag und informierten ihn, dass heute das Training ausnahmsweise ausfallen würde. Der junge Mann war nicht allzu überrascht davon, er hatte ja selbst darum gebeten. Aber das war noch nicht die ganze Geschichte. Am Vormittag würden sie Wenzel Zeit geben, um sich den Dingen zu widmen, die er m?chte, was natürlich das Gedankenlesen sein würde. Dann sp?ter nach Mittag würden sie alle drei die Pferde satteln und zur n?chstgelegenen Siedlung reiten. Das n?chste Dorf, das auch auf Karten eingezeichnet war und nicht so geheim war, wie ihr Lager, war Soldach.

  ?Und was wollt ihr dort machen?“, fragte der Junge neugierig. ?Wir machen nur einen kleinen Ausflug, haben ein wenig Spa? und kommen dann wieder zurück. Nichts Besonderes.“ Wenzel war skeptisch, sagte aber wie immer nichts. Die beiden konnten ihm aber seine Zweifel ansehen, daher erwiderte Ferenc: ?Keine Sorge, Boss! Wir sind in der Nacht wieder zurück. Au?erdem kennen uns die Bewohner des Ortes und sympathisieren mit uns. Wir treiben ?fters Handel mit ihnen. Sie würden uns nicht verraten und obendrein wei? ja sowieso niemand, wer du bist. Keiner au?er die Organisation und ihre Verbündeten haben bisher von der Ankunft des neuen Erkorenen erfahren. Sicher reden Leute und es gehen mittlerweile einige Gerüchte um, aber das ist alles. Lediglich Gerüchte.“ Der ?Boss“ schnaufte und lie? sich schlie?lich zu seiner Zustimmung bewegen.

  In Wahrheit war der Bursche ja auch daran interessiert mehr von Ordanien zu sehen, selbst wenn dieses Dorf wahrscheinlich nicht recht anders als ihr Hauptquartier, in dem er mittlerweile eine lange Zeit verbracht hatte, aussehen würde. Sonderlich verbessern konnte sich Wenzel bei seinen F?higkeiten des Gedankenlesens heute nicht. Nach der Hauptmahlzeit hie? es aufsetzen. Die drei ritten los. Der Bursche wurde darüber im Dunkeln gelassen, dass Theodor heute mal wieder nicht da war und, dass sie August oder irgendwen anderen nicht über ihr Verlassen des Quartiers in Kenntnis gesetzt hatten. Sie rechneten damit, dass sie nicht so lange wegbleiben würden und ihre Abwesenheit daher niemandem auffallen würde. Mal sehen….

  Fast eine ganze Stunde dauerte der Trip, dann erreichten sie das kleine h?lzerne Ortschild mit der Aufschrift ?Soldach“. Es war genauso, wie man sich ein Bauerndorf vorstellte. Viele St?lle und einfache Bauten, die oft zur G?nze aus Holz waren oder bei manchen waren zumindest die vier Au?enmauern aus Steinen errichtet. Nur unbefestigte Staubstra?en. Der Geruch vom Vieh und alles, was damit einherging, hing in der Luft. Doch auch hier gab es ein Ortszentrum, in dessen Richtung sie unterwegs waren. Jedes Haus hatte einen kleinen Vorgarten, der mit Blumen bepflanzt und allerlei Krimskrams, wie Gartenzwergen oder kleinen Windr?dern verziert war. Die kleine ?rtliche Kirche fehlte selbstverst?ndlich auch nicht. Je l?nger sie durch den Ort zogen, desto mehr verstand Wenzel, dass dieser eigentlich gar nicht so klein war. Er sah eine Reihe an Menschen auf der Stra?e. Alle trugen sie Kleidung, die man bestenfalls als schmutzige Lumpen bezeichnen konnte. Wenzel musste sich zwingen nicht den Leuten nachzuschauen. Grund dafür war nicht die sichtliche Armut, sondern k?rperliche Gesundheit der Bewohner. Viel zu viele von ihnen sahen dünn aus und manche waren so abgemagert, dass man bei ihnen die Knochen durch die Haut und in den eingefallenen Gesichtern sehen konnte. Der Junge hatte keine Ahnung wie er auf so etwas reagieren sollte. Dieses Elend erschütterte ihn. Er hatte die Armut und das Leid der Bev?lkerung bereits auf seinem Weg Richtung Süden und sp?ter auf dem Umzug in die Karantischen W?lder gesehen. Aber damals war es nur von Weitem. Diese Leute standen nun direkt neben ihm.

  Sie ritten schlie?lich auf den Hauptplatz. Hier gab es ein paar wenige Handwerkerl?den und eine Taverne. Letztgenanntes war schlie?lich das Ziel Brahms. ?Ah, hier sind wir“, verkündete dieser, als das Trio von den Pferden stieg und diese an die Tr?nke führte und anband. ?Ich h?tt’s mir denken k?nnten!“, dachte sich Wenzel. Sein Freund wollte einen trinken gehen. Was der Junge nicht wusste, war dass es einen Grund dafür gab, warum er nicht einfach mit ihm im Lager trinken ging. Die M?rtyrerbrigaden produzierten so viel wie m?glich selbst, um m?glichst wenig von au?erhalb kaufen zu müssen. Das betraf auch das Bier, welches sie selbst brauten. Nur schmeckte Brahm das Bier von ihnen überhaupt nicht. Und von seiner eigenen Position hatte er auf die der anderen geschlossen. Sie mussten natürlich auch der Meinung sein, dass ihr Bier aus Eigenerzeugung furchtbar war. Eigentlich trank Wenzel zwar nie etwas, aber naja….hier waren wir.

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