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Kapitel 43: Rattenschwanz

  Insgesamt haben wir etwas über sechs Stunden für die Rückeroberung von Silberstieg gebraucht. Allerdings hinterl?sst dieser, recht eindeutige Sieg einen faden Beigeschmack bei mir. Von der Bergarbeiterstadt ist nicht mehr viel übrig geblieben. Es wird Wochen dauern bis alleine die Trümmer beseitigt sind. Der überfall der Rimmerbande hat tausende Tote gefordert. Sicherlich konnten einige Menschen w?hrend der Belagerung fliehen, aber ich vermute stark, dass auch diese Anzahl eher überschaubar ist.

  Der Wagen schüttelt mich sanft von links nach rechts. Ich geh?re zu den Ersten, welche nach Torfbergen zurückkehren werden. Für die wichtigen Leute gibt es hier aber noch eine ganze Menge zu tun. Wie gro? ist der Schaden in der Stadt genau? Verstecken sich noch irgendwo Banditen? Gibt es flüchtiges Gesindel und wenn ja, wer nimmt die Verfolgung auf? Was hat es mit den Tunneln auf sich? Die Liste ist endlos. Nichts wobei ein Rang 1 Magier irgendeinen Mehrwert bieten k?nnte. Im Endeffekt bin ich nur ein kleines Zahnrad in einer riesigen Maschine. Ich habe mein Bestes gegeben. Niemand kann diese Tatsache bestreiten. Trotzdem fühlt es sich beschissen an, so hilflos zu sein. Wenn man es positiv betrachten m?chte, dann bin ich mir jetzt mehr über meine St?rken und Limitierungen im Klaren. Schlie?lich ist es eine Sache zu wissen, dass sowohl die eigene Reichweite als auch mein Manavorrat hart limitiert sind und eine Andere zu verstehen, was das in der Praxis bedeutet.

  Auch war mein Einsatz ja nicht umsonst. Ohne mich w?re Milo mit sehr gro?er Wahrscheinlichkeit jetzt tot. Wer wei?. wie die Begegnung mit den Banditen im Lagerhaus ohne mich ausgegangen w?re.

  Trotzdem bleibt der fade Beigeschmack. Wir haben nur einen Teil der Geiseln retten k?nnen. Von unseren gefangenen Gildenkameraden hat auch nur einer überlebt. Der Anführer der Rimmerbande hat die Beschw?rung der Ogers Gragukh vorzeitig beendet, was offenbar t?dliche Folgen für ihn hatte. Von fünf Aufgaben konnten wir jeweils zwei gar nicht, beziehungsweise nur teilweise erfüllen. Vielleicht klingt es deswegen auch ein wenig zynisch, wenn die Abenteurer von einem “eindeutigen Sieg” sprechen.

  Gerne würde ich die Fahrt für ein kleines Nickerchen nutzen. Doch trotz meiner Ersch?pfung f?llt es mir schwer zur Ruhe zu kommen. Mein Blick schwankt zwischen einem Starren ins Nichts und das Lesen der Texte vor meinen Augen.

  Als wir in Torfbergen aufgebrochen sind, war ich Level 34. Sechs Stunden unter immensen Stress und mehreren Nahtoderfahrungen sp?ter bin ich nun Level 42.

  Klara wird sicherlich gro?e Augen machen wenn sie mein Level sieht. Einsicht hat nun Intelligenz als mein h?chstes Attribut abgel?st. Trotzdem reichen auch fast 200 Mana nicht aus, um meine Zauber anst?ndig nutzen zu k?nnen. Ein Problem, was mich wohl noch eine ganze Weile besch?ftigen wird. Mit fünf weiteren Level erreiche ich die 100 Intelligenz, was mir einen weiteren Fertigkeitsplatz einbringt. Den n?chsten Platz gibt es dann erst bei 250 Punkten. Nichts was ich in den n?chsten Monaten erreichen werde. Das macht die Auswahl der Fertigkeiten umso wichtiger.

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  Wurzelfeld ist in meiner aktuellen Verfassung ein einziges, gro?es Fragezeichen. Was genau ist bitte eine Zone der Natur und wie gro? ist sie? Das sind nur zwei Aspekte, bei welchem das System mal wieder mit Informationen spart. Gleichzeitig bringt diese Fertigkeit jeden einzelnen Aspekt auf ein neues Level. Fünf Sekunden, in denen ich nicht einmal den kleinen Finger rühren darf, sind eine verdammt lange Zeit.

  Die zweite Option erscheint mir da wesentlich simpler zu sein. Ich habe zwar noch nie eine Steintanne gesehen, wohl aber einen Tannenbaum. Somit wei? ich zumindest in etwa, was mir das System hier anbietet. Die Frage ist blo?, warum es ausgerechnet Steintannenzapfen sind? Des Weiteren fehlt auch hier in der Beschreibung jegliche Angabe einer Reichweite.

  Wenigstens muss ich mich nicht sofort entscheiden. Das System schickt mir zwar regelm??ig Erinnerungen, aber das war es dann auch an “ernsthaften Konsequenzen”. Fairerweise gibt es noch einen weiteren Nachteil. Ich werde keine weiteren Erfahrungspunkte sammeln k?nnen, solange meine Belohnung noch offen ist. Allerdings kann ich im Moment gut auf weiteres Blutvergie?en verzichten.

  Nach einer erholsamen Nacht geht es mir gleich viel besser. Die Stimmung im Wagen ist zwar immer noch ausbauf?hig aber die Menschen sind sichtlich weniger angespannt. Es werden sogar ein paar Witze zum Besten gegeben. Ich bin froh über die Ablenkung. Leider wird es noch Tage dauern, bis sich mein Geschmackssinn von den Nebenwirkungen der Manatr?nke erholt hat. Somit gebe ich mich eher mit kleineren H?ppchen zufrieden. Auf diese Weise bleibt die Nahrung wenigstens auch dort, wo sie hingeh?rt.

  Es vergeht ein weiterer Tag, bis es mir d?mmert, dass ich die Reichweiten der beiden Fertigkeiten vermutlich gut vorhersagen kann. Zapfensplitter-Schuss ist wahrscheinlich ein Nahkampfzauber. Das System erw?hnt nicht, dass ich die Flugbahn der einzelnen Splitter kontrollieren kann. Je nachdem, wie genau sich die Fertigkeit verh?lt, muss ich also mit einer enormen Streuung rechnen. Meine Vermutung w?re eine effektive Reichweite von bis zu fünf Metern.

  Die Zone von Wurzelfeld wird gr??er sein. Zumindest w?re das eine Erkl?rung für die enormen Manakosten. Eine Pflockfalle kann ich in etwa auf acht Meter Entfernung wirken. Zauberreichweite ist keine St?rke meiner Klasse. Meine Hoffnung ist also irgendetwas zwischen acht und fünfzehn Metern. Je nachdem, welche Form die Zone hat, w?re das für meine Verh?ltnisse ziemlich viel.

  Trotzdem sind mir noch zu viele Sachen ungekl?rt. Meine Reisegef?hrten wissen leider auch nichts mit einer Naturzone anzufangen. Eine Fertigkeit, die einen bestimmten Bereich abdeckt, ist jetzt nichts besonders. Tats?chlich verfügt einer meine Mitreisenden sogar über eine solche Fertigkeit namens Pfeilhagel. Allerdings spricht hier die Beschreibung ausdrücklich von einem Bereich und keiner Zone. Ich k?nnte versuchen, Maria oder Marco per Gildennachricht zu fragen. Allerdings haben die Beiden wahrscheinlich gerade gr??ere Probleme, als bei der Auswahl meiner n?chsten Fertigkeit zu helfen. Paul sollte aber in der Gilde sein. Vielleicht kann mir der ?ltere Krieger ja weiterhelfen.

  Wir brauchen insgesamt neun Tage für den Rückweg. Tats?chlich erwarten Paul, Klara, Sven und der Rest uns bereits. Nur der Gildenchat hat sie über die Ereignisse in Silberstieg informiert. Wir k?nnen nicht mal unsere Sachen verstauen, bevor man uns bereits ein Loch in den Bauch fragt. Somit erz?hlen wir bei einem leckeren Eintopf von unseren Erlebnissen.

  “Das wird eine Menge Staub aufwirbeln”, gibt Paul schlie?lich zu bedenken. “Herr Lester wird nicht z?gern um die Stadt so schnell wie m?glich wieder aufzubauen. Die Einnahmen aus dem Bergbau Gesch?ft sind einfach zu wichtig für ihn. Das erschafft wiederum zahlreiche M?glichkeiten für Investoren, H?ndler und Arbeiter.” Ich schaue den Krieger fragend an. “Im Klartext bedeutet das Krieg. Nicht einen der mit Schwertern und B?gen ausgetragen wird, sondern stattdessen mit Geld, Einfluss und Worten. Der Wiederaufbau von Silberstieg k?nnte die Machtverh?ltnisse in Torfbergen nachhaltig erschüttern.”

  Ich verbringe den restlichen Tag mit Klara. Ihre eigene Mission war wohl auch alles andere als langweilig. Sie ist nun Level 36. Trotzdem muss ich mir einen langen Monolog darüber anh?ren, wie unfair doch die Welt ist. Ich h?tte gerne mit ihr getauscht. Ein paar H?ndler durch die weite Welt zu begleiten klingt für mich definitiv entspannter, als sich mit Rang 2 Banditen und einem waschechten Oger herumzuschlagen. Ich erkenne bei Klara klare Tendenzen in Richtung einer gewissen K?mpferin, welche sich freiwillig dazu bereit erkl?rt hat, Gragukh die Stirn zu bieten. Reiner Wahnsinn, wenn mich jemand fragen würde. Ich kann gut damit Leben, wenn ich mich mal für ein paar Wochen nicht um mein Leben fürchten müsste. Allerdings machen mir Pauls Worte in dieser Hinsicht wenig Hoffnung. Die Sira-Gilde wird ihren ehemaligen Einfluss in Silberstieg nicht einfach so aufgeben. Ich habe keine Ahnung, wie so eine politische Schlacht ablaufen wird. Mein Bauchgefühl sagt mir aber, dass ich es in den n?chsten Tagen und Wochen herausfinden werde.

  Die n?chsten Tage versuche ich mehr über Steintannen herauszufinden. Tannen- , Birken und auch Eichenholz sind in Torfbergen in rauen Mengen verfügbar. Wer das n?tige Kleingeld hat, kann auch Zedernholz erwerben. Mein Besuch bei einem Alchemisten bleibt jedoch genauso wenig von Erfolg gekr?nt, wie die Gespr?che mit den Holzh?ndlern. Als n?chstes versuche ich es direkt bei einem F?rster. Wenn sich jemand noch besser mit B?umen auskennt als die Verk?ufer, dann sollten es ja wohl diejenigen sein, die sich direkt um die W?lder kümmern.

  Wie sich herausstellt, war das die richtige Entscheidung. Ein st?mmiger Mann erz?hlt mir schlie?lich gegen ein kleines Trinkgeld, dass die Steintanne nur in wesentlich k?lteren Gebieten vorkommt. Der Name stammt von seinem schweren, kompakten Holz. Mit einer normalen Axt und ohne jegliche Fertigkeiten kann es Monate dauern, um auch nur eine Tanne zu f?llen. Auch wenn es sich aufgrund seiner Eigenschaften hervorragend für massive Konstruktionen eignet, greifen viele in der Regel lieber zu Alternativen. Die Holzst?mme sind extrem schwer, was den Transport über weite Strecken zu einer Tortur macht. Au?erdem besitzt nicht jeder das n?tige Werkzeug oder entsprechende Fertigkeiten, um das Holz weiterverarbeiten zu k?nnen.

  Die Tannenzapfen dieser Sorte sind nicht weniger stabil als der Baum selbst. Nur wenige Tiere k?nnen diese Kost verdauen. Die Zapfen ?hneln den Früchten des hier wachsenden Tannenbaums, sind jedoch farblich eher dreckig grau.

  Ich bedanke mich bei dem F?rster und mache mich auf den Rückweg. Diese Informationen waren die 10 Sil allemal wert.

  Bei dem Begriff Naturzone bin ich jedoch noch keinen Schritt weiter gekommen. Niemand scheint mir weiterhelfen zu k?nnen. Mein eigenes Wissen über die Elemente beschr?nkt sich auf ein Papier aus Marcos Sammlung. Es gibt acht Elemente, welche man jeder Fertigkeit zugeordnet kann. Namentlich w?ren das Feuer, Wasser, Wind, Erde, Licht, Natur, Dunkelheit und Arkan. Die meisten Fertigkeiten geh?ren der arkanen Gruppe an, weil sie auf keines der Elemente zurückgreifen. Wenn es also so etwas wie eine Naturzone gibt, dann sollte auch folglich eine Feuer- oder Wasserzone existieren k?nnen. Doch was genau bringt einem das?

  Liebend gerne würde ich den Anführer der Sira-Gilde dazu befragen. Marco ist zwar inzwischen nach Torfbergen zurückgekehrt, hat aber ausdrücklich darum gebeten, nicht gest?rt zu werden.

  Ich versuche meine Sichtweise zu ?ndern. Was w?re, wenn eine elementare Zone etwas ist, was nur Magier nutzen k?nnen? Das würde zumindest erkl?ren, warum mir kein Abenteurer in der Gilde weiterhelfen kann. Mein Gedankengang wird aber durch einen Tumult vor dem Eingang der Sira-Gilde unterbrochen.

  “Ich sage es noch einmal. Herr Lester schickt mich um einen Brief an Herrn Sira pers?nlich zu übermitteln.” “Und ich gebe dir erneut die gleiche Antwort. Mein Boss empf?ngt aktuell keine G?ste. Wenn du etwas abzugeben hast, reiche ich es gerne weiter.” Der mir fremde Mann, welcher in einem langen, schwarzen Mantel gehüllt ist, scheint jedoch mit diesem Angebot nicht zufrieden zu sein.

  Ich trete an die beiden M?nner heran. Es gibt schlie?lich keinen Grund unser Verh?ltnis zu dem Herrscher von Torfbergen unn?tig zu belasten: “Kann man dir zuf?llig helfen Kurt?” Allerdings f?llt der Bote meinem Kameraden unverzüglich ins Wort: “Wer wagt es sich einfach in unser Gespr?ch einzumischen? Normaler P?bel sollte sich aus den Angelegenheiten zwischen der Lester-Familie und einer Gilde heraushalten.”

  Was für ein überaus reizender Zeitgenosse. Ich versuche es trotzdem weiter in einem h?flichen Ton: “Mein Name ist Torben Lang, Magier des ersten Ranges und wie sie sehen k?nnen, Mitglied der Sira-Gilde. Somit kann ich m?glicherweise dem Herrn doch weiterhelfen?” Der Bote bleibt für einen Moment das Wort im Halse stecken. Ein Anblick, welchen unbedingt mehr Leute sehen sollten. Jedoch f?ngt er sich recht schnell wieder: “Ich bin im Auftrag des Barons Lester hier. Bei mir trage ich einen Brief, welcher nur pers?nlich an Herrn Marco Sira zugestellt werden soll. Allerdings l?sst mich dieser Barbar nicht zu eurem Anführer.”

  Kurt ist klug genug nicht auf die Provokation des Boten zu reagieren. Allerdings kann ich aus den Augenwinkeln sehen, dass nicht viel fehlt um das Fass zum überlaufen zu bringen. "Wie mein Kollege bereits angedeutet hat, ist unser Boss aufgrund der aktuellen Ereignisse gerade sehr besch?ftigt. Gerne überbringe ich ihm allerdings jegliche Nachricht.” Der Bote überlegt für einen Moment: “Ich hoffe, dass dieser Brief hier in euren H?nden sein Ziel sicher erreichen wird”, dabei zückt der Mann einen blütenwei?en Umschlag, welcher mit Wachs versiegelt ist. Ich nehme den Umschlag entgegen und sehe zu, wie der Bote in der Menge verschwindet.

  Welche Fertigkeit soll Torben w?hlen?

  


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