Langsam krieche ich über den Waldboden. So leise wie mir nur m?glich n?here ich mich dem n?chsten Baum. Es stellt sich nicht wirklich die Frage ob, sondern vielmehr wann mich mein blassblauer Freund entdeckt. Nur noch ein paar Meter weiter und ich rechne mit der ersten, nasskalten Begrü?ung. Ich habe keine Ahnung, wie diese Wesen uns überhaupt bemerken, so ganz ohne Augen und Ohren. Man sollte meinen, dass es ohne diese Sinnesorgane schwieriger wird, Feinde zu erkennen. Meine jüngsten Erfahrungen haben mich jedoch eher vom Gegenteil überzeugt. Auch wenn das Mistvieh taub ist, schadet es trotzdem nicht leise zu sein. Somit h?re ich wenigstens direkt, wenn der Brummer angeflogen kommt.
Es sind mittlerweile 12 Tage seit meinem Beitritt der Sira-Gilde vergangen. Das Gespr?ch mit Herrn Sira lief anders ab als ich erwartet hatte: “Du willst mir also erz?hlen, dass du nicht nur ein Magier bist, welcher eine ungew?hnliche Klasse auf Rang 1 besitzt, sondern obendrauf auch noch ein Abweichler?” Ich best?tige die Zusammenfassung mit einem kurzen Nicken. Mit einem Seufzen erhebt sich der Gildenanführer und füllt seine leere Teetasse mit Alkohol auf. Nachdem er das dritte mal sein Gef?? gelehrt hat, richtet er das Wort erneut an mich: “Es war ja auch ein wenig zu sch?n um wahr zu sein. Also, was für einen Gegenstand hat dir das System gegeben?”
Ich z?gere dem Gildenanführer eine Auskunft zu geben. Was wenn er von mir verlangt ihm das Kleeblatt zu überlassen? Ich wei? zwar nicht, wofür es gut ist aber es ist m?glicherweise ein Hinweis auf meine Vergangenheit. Au?erdem ist es ein sehr seltener Gegenstand. Solche Sachen sind vermutlich hunderttausende von Sil wert. “Ich deute dein Z?gern mal so, dass du es immer noch besitzt”, erl?utert mir Herr Sira. “Normalerweise geht mich der Besitz meiner M?nner nichts an. Wenn mir aber jemand etwas anschleppt, was die Gilde oder deren Mitglieder in Gefahr bringt, dann muss ich das wissen. Es w?re also sch?n, wenn du mir zumindest die folgenden Fragen beantworten k?nntest. Würde sich jemand wie ich für diesen Gegenstand interessieren? Handelt es sich um eine Waffe oder ist es besonders wertvoll? Wie viele Leute wissen davon?”
Ich entscheide mich nach reiflicher überlegung dazu, ihm zumindest den Gro?teil der Wahrheit zu erz?hlen: “Ehrlich gesagt wei? ich selber nicht wirklich, wozu es gut ist. Es ist keine Waffe und auch keine gef?hrliche Substanz. Jedoch k?nnte ich mir gut vorstellen, dass es in gewissen Kreisen sehr viel wert ist. Bisher wei? nur Clara noch um was es sich genau handelt.” “Was genau für Kreise würden sich für deinen Gegenstand interessieren?” “Ein Alchemist zum Beispiel”, erwidere ich. “Wir reden also über ein seltenes Material, welches vermutlich zur Herstellung von Tr?nken oder ?hnlichem benutzt wird”, kombiniert der Anführer der Sira-Gilde laut. “Wenn das stimmt, dann ist es in Torfbergen praktisch nutzlos. Die meisten Alchemisten in der Stadt k?nnen nicht mal gew?hnliches Gras von Schnittlauch unterscheiden. Das du niemanden davon erz?hlt hast ist auch beruhigend zu wissen. Wir sollten trotzdem darauf achten, dass es auch so bleibt.”
Ich stimme Herrn Sira zu. Mir f?llt ein kleiner Stein vom Herzen, dass er so “entspannt” auf mein Abweichlerdasein reagiert hat. Im weiteren Verlauf des Gespr?chs kommen wir endlich zu den wichtigen Fragen des anstehenden Vertrages. Im Gegenzug für meine Dienste bietet mir der Bogenschütze 30 Sil die Woche, plus 25% jeder Missionsbelohnung an. Sollte ich in der dreij?hrigen Laufzeit den zweiten Rang erreichen, so wird über die Bezahlung neu verhandelt. Obendrauf kann ich mich für schlappe 2 Sil pro Tag in der Gilde einquartieren. Au?erdem erhalte ich bei Vertragsabschluss einmalig 150 Sil und eine Münze mit der Pr?gung der Gilde. Mit diesem Taler würde mir in Zukunft auch die 20 Sil für das Betreten der Stadt erspart bleiben.
Natürlich kommt dieser lukrative Vertrag auch mit Pflichten und Strafen daher. Ich verpflichte mich praktisch jeder Mission nachzugehen, welche mir zugeteilt wird, darf Au?enstehenden nichts über die Klassen und Fertigkeiten der Sira-Gilde verraten und mir auch keine Auftr?ge mehr aus der Abenteurergilde holen. Die Strafen reichen von Ausfall des Entgeltes, über Levelverlust bis zum Ausschluss aus der Gilde und einen Levelbann für 5 Jahre. Vor allem die letzte Strafe ist besonders hart. Für so eine lange Zeit nicht in der Lage zu sein, auch nur ein Level aufsteigen zu k?nnen, ist der schiere Wahnsinn. Des Weiteren habe ich selbstverst?ndlich auch die M?glichkeit mich aus dem Vertrag herauszukaufen. Allerdings erscheinen mir 20.000 Sil unvorstellbar viel.
“Du fragst dich wahrscheinlich, wieso ich die Ausstiegssumme so hoch angesetzt habe. Wie dir vielleicht schon aufgefallen ist, haben Magier auf dem ersten Rang mit zahlreichen Problemen zu k?mpfen. Im direkten Vergleich sind Sie einfach schw?cher als andere Abenteurer. Im Umkehrschluss bedeutet dass, das mehr Ressourcen notwendig sind um dich auf Level 2 zu bringen. Zus?tzlich wird deine Rangaufstiegsmission kein Zuckerschlecken werden. Im Anschluss wird aber jede Gilde in Torfbergen dich versuchen abzuwerben. Einen Magier in seiner Gilde zu haben ist ein hervorragendes Aush?ngeschild und l?sst einen an gewisse Missionen ganz anders herangehen. Du musst also verstehen, dass ich lediglich versuche mein Investment zu schützen.”
“Sie wollen mich also nur aus Prestigegründen in die Gilde einladen?”, frage ich h?flich nach. “Ich will nicht behaupten, dass das nicht ein Grund meines Angebotes ist. Aus meinem Blickwinkel habe ich hier eine Win-Win-Situation vor mir. Du hast die Aufmerksamkeit von Sophie geweckt. Auch wenn sie noch jung ist, so bin ich doch immer gut damit gefahren, ihren Empfehlungen für Rekruten nachzukommen. Falls du dich gut machst, profitiere ich davon, falls nicht kann ich zumindest behaupten einen Magier in meiner Gilde zu haben. Also, bist du mit dem Vertrag zufrieden?”
Ich lasse mir alles noch einmal kurz durch den Kopf gehen und unterschreibe schlie?lich mit meinem Daumenabdruck.
“Eine gute Entscheidung hier, die Gildenmünze, das Sil und deine erste Mission. Mit Clara und Sam sollte das eigentlich ein Leichtes für dich sein. Die Beiden warten bereits im Erdgeschoss. ”
Ich nehme das Papier entgegen und bin schon fast zur Tür raus als mich mein Boss noch einmal zurückpfeift: “Eine Sache noch Torben, ich würde es in Zukunft begrü?en, wenn du nicht die Dokumente auf meinen Arbeitsplatz liest, verstanden?”
Unsere erste Mission für die Gilde erweist sich zun?chst als nicht besonders schwierig.
Wie ich aus dem Papier erfahre, zeichnen sie sich durch zwei Eigenschaften aus.. Sie k?nnen sich praktisch an jedes Terrain anpassen und sind deshalb auf der ganzen Welt zuhause. Um einen Schleim zu t?ten muss man seinen Kern, eine etwa fünf Zentimeter gro?e Murmel, zerst?ren. Nach den ersten Tagen auf Schleimjagd m?chte ich pers?nlich aber gerne noch einen dritten Punkt hinzufügen. Schleime geh?ren wahrscheinlich zu den harmlosesten Kreaturen auf diesem Planeten. Sie sind nur so gro? wie ein Spielball und bewegen sich mit der Geschwindigkeit einer Schnecke vorw?rts. Die übergro?en Regentropfen verfügen nicht mal über einen Fernangriff! Wie zum Teufel erreichen solche Wesen überhaupt Level 30!
Vielleicht bin ich aber auch nur ein wenig frustriert von der Tatsache, dass Clara die Schleime wie die Axt im Walde auseinander nimmt und ich vier Manabolzen für ein einzelnes Exemplar ben?tige. Die Situation erinnert mich stark an die Cenit-Krabben, nur dass ich diesmal den Kürzeren gezogen habe. Pflockfalle hat sich schnell als nutzlos gegen Schleime erwiesen. Wer sich nicht bewegt, kann auch keine Falle ausl?sen. Au?erdem kann ich die Falle nicht unter ein Objekt oder Lebewesen legen. Selbst wenn der Pflock treffen würde, so ist es doch schon sehr unwahrscheinlich, dass ich damit genau den Kern erwische. Somit bleiben mir nur meine Manabolzen, welche eher m??ig gut funktionieren.
Wenigstens müssen wir nicht stundenlang nach neuen Schleimen suchen. Die Biester sind überall dort zuhause, wo es ausreichend nass ist. Da der Regen absolut kein Ende nimmt, wimmelt es hier nur so von den Biestern.
Der Einzige, welcher mit der Gesamtsituation noch unzufriedener ist als ich, ist Sam. Allerdings sind seine Gründe wahrscheinlich andere. Der kr?ftige Kerl ist jedoch kein K?mpfer, sondern ein Kurier des zweiten Ranges. Kuriere verdienen ihre Erfahrung durch das Sammeln und Transportieren von Waren. Auch wenn wir eine ganze Menge an Kernen sammeln sollen, so profitiert der Mann, dank der gro?en Leveldifferenz, kaum davon. Entsprechend angefressen ist der Kurier auch den Gro?teil unserer Mission. Dennoch ist seine Anwesenheit eine gro?e Erleichterung. Ohne ihn würden wir aber st?ndig in die Stadt zurück müssen, da sich Schleimkerne nur zehnfach stapeln lassen. Neben Fertigkeiten, welche sein Inventar vergr??ern, besitzt er auch Sammler, welche die Chance auf fallengelassene Gegenst?nde erh?ht.
Ohne Sammler w?ren wir wohl am zehnten Tag unserer Mission immer noch meilenweit vom Ziel entfernt, obwohl Clara alleine bestimmt 200 von den Biestern erledigt hat. Meine eigene Leistung ist im Vergleich dazu kaum der Rede wert. Erfahrungstechnisch haben sich unsere Anstrengungen der vergangen Tage jedenfalls gelohnt.
Da soll mal noch einer sagen, dass einem eine Menge Level 28 Schleime nicht weiterhelfen. Als uns noch etwa eine Handvoll normaler Kerne fehlen, sind wir schlie?lich dem ersten Schleim-Jüngling begegnet. Genauer gesagt, habe ich Bekanntschaft mit seiner Wasserbombe gemacht. Alles was ich mitbekommen habe, war ein komisches Plob-Ger?usch, den Aufschrei von Sam und wie mich Sekunden sp?ter eine Wand aus Wasser zu Boden rei?t.
V?llig überrascht von der Situation versuche ich als erstes das eiskalte Wasser aus meiner Lunge zu bekommen. Bevor ich aber wieder richtig atmen kann, zerrt mich Sam zur Seite. Wir müssen nicht lange warten bis die n?chste, etwa ein Meter gro?e Wassermasse dort einschl?gt, wo ich bis gerade noch lag. “Danke Sam”, huste ich ihm entgegen. Der Kurier will davon aber nichts wissen: “Du solltest dir gef?lligst angew?hnen, besser auf deine Umgebung zu achten. Ich habe euch doch ausdrücklich davor gewarnt, dass mit Schleim-Jünglingen nicht zu spa?en ist.”
Natürlich hat er Recht mit seiner Aussage aber es ist etwas anders davon zu h?ren oder es mit eigenen Augen zu erleben. Ein Schleimjüngling ist vergleichbar mit einem Magier, der sich auf Langstreckenzauber spezialisiert hat. Vorsichtig schaue ich hinter meiner Deckung hervor und richte meinen Blick auf die Baumkronen. Das n?chste Plob-Ger?usch l?sst mich zumindest erahnen, in welcher Richtung sich unser Ziel befindet. Allerdings hat der Schleim es diesmal auf Clara abgesehen. Die Kriegerin h?lt sich ebenfalls hinter einen Baum versteckt.. Jedoch ?ndert die Wassermasse pl?tzlich ihre Flugbahn und fliegt in einem Bogen um den Baum herum. Auch wenn das Projektil aufgrund des Winkels trotzdem sein Ziel verfehlt hat, war es dennoch knapp. “Wir sollten uns zurückziehen”, schl?gt Sam vor. Nur ungern würde ich mich kampflos zurückziehen. Wenn wir den Schleim in den Nahkampf zwingen, haben wir gute Karten. “Dich hat soeben eine Wasserbombe frontal erwischt”, wendet der Kurier ein, “Ich wei? ja nicht wieviele Lebenspunkte du besitzt aber ein Bogenschütze braucht nach so einem Treffer erstmal eine ordentliche Erholungspause.
Jetzt wo mich Sam darauf anspricht, fühlt sich mein K?rper tats?chlich ein wenig taub an. Vor allem meine linke Seite zwickt unangenehm. Widerwillig gebe ich mich schlie?lich geschlagen und wir ziehen uns vorsichtig zurück.
Tag 11 erweist sich all absoluter Reinfall. Wir versuchen als erstes uns dem Schleimjüngling aus einer anderen Richtung zu n?hern. Allerdings scheint die Himmelsrichtung für das Mistvieh keinen Unterschied zu machen. Sobald wir uns auch nur einen Schritt zu sehr ann?hern, werden wir unverzüglich mit seinem Lieblingszauber begrü?t. Da der Wald aber weiter n?rdlich lichter wird, haben wir auch weniger Deckung zur Verfügung, weshalb wir erneut den Rückzug wagen.
Wieder an der Stelle vom Vortag angekommen, versuchen Clara und ich uns diesmal im Laufschritt zu n?hern. Seite an Seite springen wir von einer Deckung zur N?chsten und weichen so den Wasserbomben aus. Je n?her wir dem Schleim aber kommen, desto kürzer f?llt auch unsere Reaktionszeit aus. Im Endeffekt erhasche ich nur einen flüchtigen Blick auf die langgezogene, blassblaue Schleimform, bevor Clara einen b?sen Treffer kassiert. Die Folge ist mindestens ein gebrochener Arm, was einer erneute Niederlage für uns gleichkommt. Wenn ich schon Probleme mit den 0815-Schleimen habe, dann will ich gar nicht erst wissen, wie viele Zauber ein Schleim-Jüngling überlebt.
Allerdings l?sst uns das Mistvieh natürlich nicht so einfach ziehen. Ich muss mehrere Rindenschilder beschw?ren um unvermeidbare Treffer abzuwehren und selbst dann komme ich nicht ungeschoren davon. Auf den letzten Metern in Richtung Sicherheit und dem wartenden Kurier f?llt mir aber etwas auf. Das Ding feuert keine weiteren Zauber auf uns. Ist ihm etwa endlich das Mana ausgegangen?
Am n?chsten Morgen bespreche ich mit Clara meinen neuen Plan und krieche wenig sp?ter vorsichtig über den Waldboden. Mal schauen ob es uns heute gelingt den ersten Schleim-Jüngling zu t?ten.